Kölner Stadt-Anzeiger: Irre witzig am Rollator

29. Oktober 2021
29. Oktober 2021 Georg Leiste

Kölner Stadt-Anzeiger: Irre witzig am Rollator

Georg Leiste im Interview Anzeiger mit Rhein Sieg

Lohmar. Obacht: Der ältere Herr mit dem kleinem Bäuchlein und dem zauseligen Haarkranz hockt auf seinem Rollator und zappelt herum, immer kurz vorm Kippen. Die Umstehenden schwanken zwischen Bangen und Kichern. Kann das denn wahr sein? Für Georg Leiste markiert die preisgekrönte Nummer „Rock’n Rollator“ das Ende einer Zeit, in der er nicht viel zu lachen hatte. Den Akrobatik-Clown aus Lohmar-Honrath hatte Corona fast zu Fall gebracht.

Beim letzten Auftritt in der Pandemie konnte der Komiker schon nicht mehr frei aufspielen: „Es war ein Walk Act auf einem Polizeiball, und ich musste Maske tragen.“ Schwierige Bedingungen, um mit dem Publikum in Kontakt zu treten und es auf dem Stand in Stimmung zu bringen. Besonders für ihn, der so gern auf Menschen zugeht, sie nicht nur mental berühren will.

Danach: Flaute, keine Arbeit, nachvollziehbar im Angesicht der Pandemie, noch angenehm im eigenen Haus mit Proberaum und großem Garten in schöner Umgebung. Und wirtschaftlich nicht existenziell bedrohlich dank der staatlichen Hilfen. Aber: Was tut ein Clown, der höchstens mal die Familie zum Lachen bringen kann? Das komödiantische Talent seiner Ehefrau Silvia Doberenz half nicht viel weiter, sie blickte als Kabarettistin ebenfalls in einen leeren Terminkalender. „Da kam schon mal der Gedanke: Kehre ich überhaupt auf die Bühne zurück?“, erzählt der Künstler, der seit 40 Jahren den Clown macht.

Kurzes Grübeln, dann vertrieben Georg Leiste und sein Duo-Partner Michl Thorbecke den Corona-Blues mit Aktivität und Kreativität. Sie entwickelten die neuen Figuren, zwei ältere Herren, ein Langer (Thorbecke) und ein Kleiner (Leiste), die mit und auf dem Rollator atemberaubende Akrobatik zeigen, das Publikum von null auf hundert in Fahrt bringen, es staunen und lachen lassen.

Sich auszustaffieren mit Bäuchlein, Haarkranz-Perücke und grauem Anzug und sich wie ein Senior zu bewegen, das war nicht nur spaßig, sondern bot beim Blick in den Spiegel einen Überraschungseffekt, erzählt der 57-Jährige schmunzelnd: „Ich habe meinen Vater gesehen.“ Mit dieser Rolle kann es weitergehen, das spürte er.

In Alltagskleidung und ohne Maskerade wirkt der durchtrainierte Mann sehr viel jünger, vielleicht auch durch seine Offenheit. Ohne Scheu gibt er am heimischen Esstisch mit Blick auf Küche und Kirche Privates preis, versteckt sich nicht in einer Rolle. Sohn Jona (fast sechs) und Ehefrau Silvia (42) dürfen gern zuhören und mitreden. Fürs Foto setzen sich die drei spontan rote Schaumgummi-Nasen auf und zaubern blitzschnell den Presseleuten ein breites Grinsen ins Gesicht.

Ein Gute-Laune-Typ, das war Georg Leiste schon immer, wenn auch kein Klassenclown. Die Waldorfschule in München weckte seine Talente, mit einem Freund übte er Seiltanzen, die Eltern – die Mutter Heil-Eurythmie-Lehrerin, der Vater anthroposophischer Arzt – unterstützten den Sohn auf seinem Weg. Als 17-Jähriger besuchte er die Clownsschule „Scuola Theatro Dimitri“ in der Schweiz, hatte danach eine Stelle an einem Berline Varieté schon in der Tasche (um der Wehrpflicht zu entgehen), fand aber in einem Urlaub eine Kompagnie aus Dimitri-Kollegen, wo gerade jemand abgesprungen war, und lebte dann erstmal in der Schweiz.

Später fand er in Deutschland Partner, mit denen er jahrelang tourte, hatte einige Solo-Programme. Trat bei Roncalli und Flicflac auf, im Weihnachtszirkus, wurde für Veranstaltungen im In- und Ausland gebucht. Für einen sechsminütigen Auftritt verbrachte Leiste eine Woche in Peking.

Funktioniert Humor überall gleich? Eigentlich ja, aber . . . In Norwegen habe ihn das Publikum erschüttert, erzählt der Clown. Die Leute reagierten kaum – der größtmögliche Kontrast zum Rheinland, „hier wollen sich die Menschen amüsieren“. Am Ende, als er „fast ausgehungert“ die Bühne verließ, seien die Zuschauer auf ihn zugekommen und lobten ihn: So viel Spaß hätten sie lange nicht gehabt.

Jüngst erhielt das Duo Leiste/Thorbecke den Kulturpreis der Bürgerstiftung Lohmar. Jetzt wollen die Clowns einen Traum verwirklichen: Sie arbeiten an einem abendfüllenden Programm. Wenn ihnen der Terminkalender dafür Zeit lässt. Der ist wieder voll.

MENSCHEN AN RHEIN UND SIEG
Irre witzig am Rollator
Nicht nur lustig mit roten Nasen: Clown Georg Leiste mit seiner Frau Silvia Leiste-Doberenz und Sohn Jona zuhause in Honrath. (Quentin Bröhl)
Akrobatik auf dem Rollator bietet Georg Leiste (rechts) mit Partner Michl Thorbecke. (Hehn)